Sessionsbericht Juni/Juli 2017

Im Zeichen des Poststellenabbaus

Empfangen wurden die Kantonsrätinnen und Kantonsräte vor dem Rathaus durch eine Demo gegen die Schliessung der Poststellen. In den betroffenen Gemeinden wurden mehrere tausend Unterschriften gesammelt. Rund 50 Gewerkschafter, Politiker von links bis rechts und Gemeindevertreter demonstrierten gegen die geplanten Poststellenschliessungen. Der SP-Auftrag, der vom Regierungsrat verlangt, dass er die Gemeinden im Widerstand unterstützt und sich gegen die Postpläne wehrt, wurde mit lediglich 3 Gegenstimmen erheblich erklärt.

Gemeinden bezahlen bald nichts mehr an Sanierungen von Kantonsstrassen

Das kommt den Kanton teuer zu stehen: Solothurner Gemeinden müssen künftig nämlich keine Beiträge mehr bezahlen, wenn auf ihrem Gebiet eine Kantonsstrasse saniert wird. Der Kanton wird die Strassenerneuerungen vollständig aus seinem Portemonnaie bezahlen müssen. Eine Mehrheit des Rates hat dies beschlossen (61 Kantonsräte), obwohl der Kanton jährlich 6,5 bis 9 Mio. Franken zusätzlich belastet wird.

„Aus Sicht der Kantonsfinanzen ist dies nicht zu erklären“ hat sich René Steiner (EVP, Olten) vergeblich gegen das Vorhaben gewehrt. Eine Minderheit von 32 Kantonsräten war nicht grundsätzlich gegen die Vorlage. Sie forderten aber wie die Regierung, dass das Geschäft frühestens umgesetzt wird, wenn der Kanton von den Gemeinden in irgendeinem andern Ausgabenbereich Kompensationszahlungen erhält. Ob die Gemeinden Beiträge an Strassensanierungen zahlen oder ob der Kanton alles bezahle, spiele für den Steuerzahler so oder so keine Rolle, wurde moniert. Der Steuerzahler bezahle am Ende ja eh alles. Wichtig sei in erster Linie, dass es keine Luxusbauten gebe, dass für die Wirtschaft eine gute Strasseninfrastruktur bestehe und dass effizient gebaut werde.

In gewissen Fällen müssen die Gemeinden auch weiterhin Beiträge bezahlen, so etwa bei allen Neubauten. Und wenn auch die Sanierungsmassnahmen über den üblichen Standard hinausgehen, müssen die Gemeinden mitbezahlen.

Wer zahlt wie viel und für was: Zwischen Kanton und Gemeinden läuft seit Jahren eine Diskussion. Geplant ist seit Jahren, dass die Aufgaben, beispielsweise im Sozialbereich, entflechtet werden und klar ausgehandelt wird, wer wie viel bezahlt. Zudem arbeitet Baudirektor Roland Fürst derzeit eine Neuordnung der Verkehrsfinanzierung aus. Diese sei abzuwarten, hielt Beat Loosli (FDP, Starrkirch-Wil) fest. „Der Auftrag will einen Teil schon regeln, bevor wir die gesamte Neufinanzierung auf dem Tisch haben“, so Loosli. Zuzuwarten bringe nichts, hielt Susanne Koch-Hauser (CVP, Erschwil) dagegen. „Seit ich im Rat bin, laufen die Diskussionen über die Entflechtung“. Auch Einwohnergemeindeverbands-Präsident Kuno Tschumi sprach sich für den Auftrag aus.

Widerstand gegen Kostenabwälzungen an den Kanton gab es von der EVP und der BDP. Gespalten zeigte sich die FDP zwischen den Polen Tschumi und Loosli. Dass die heutige Regelung nicht befriedigend ist, gestand auch die Regierung ein. Ausführungsreife Projekte müssten aufgrund der Finanzierungsengpässe bei Gemeinden hinausgeschoben werden. „Dies trägt unter anderem auch dazu bei, dass die im Voranschlag für den Strassenbau zur Verfügung stehenden Mittel nicht konsequent genutzt werden können und dabei schliesslich die Substanz der Strassenanlage leidet“. Aber eben: Für die zusätzlichen Löcher in der Staatskasse hätte die Regierung gerne Kompensationen gesehen. Es sei schliesslich absehbar, so Baudirektor Roland Fürst, dass der Kanton im Sozialbereich und in der Sonderpädagogik Millionenbeträge übernehmen müsse.

Energiefachstelle bleibt, wo sie ist

Der Kantonsrat hielt nichts davon, die kantonale Energiefachstelle in das Amt für Umwelt zu integrieren. Einen entsprechenden Auftrag von Jacqueline Ehrsam (SVP, Gempen) lehnte er mit 74 gegen 19 Stimmen klar ab – und das schon aus formalen Gründen: Das Parlament hat dem Regierungsrat in der Verwaltungsorganisation gar nicht dreinzureden. Dieser hatte in seiner Stellungnahme zum Auftrag denn auch ausdrücklich auf seine abschliessende Zuständigkeit gepocht und darauf verwiesen, dass man die Zweckmässigkeit eben erst überprüft und die Organisation der Ämter und Abteilungen vergangenen Dezember beschlossen habe.

Verbesserungen beim öffentlichen Verkehr trotz Plafonierung

Der Kantonsrat bewilligte knapp 70 Millionen Franken für den öffentlichen Verkehr. Der Verpflichtungskredit gilt für die nächsten beiden Jahre. Mit dem Ja zum Kredit stimmte der Kantonsrat gleichzeitig auch zu, dass künftig an kantonalen Feiertagen nicht mehr der Sonntagsfahrplan gilt. Der Spielraum war gering: Aufgrund der 2014 beschlossenen Sparmassnahmen ist das öV-Globalbudget auf dem Stand 2015 plafoniert. Da die Verwaltung aber mit den Transportunternehmen gut verhandelt habe und aufgrund von Tarifmassnahmen, lobten die Kantonsratsfraktionen, könne nun trotzdem ein leichter Angebotsausbau finanziert werden.

Keine politische Mitsprache für Ausländer

Ausländern im Kanton Solothurn bleibt die politische Mitbestimmung verwehrt. Der Kantonsrat hat ein fakultatives Stimm- und Wahlrecht auf kommunaler Ebene abgelehnt. Der Entscheid fiel mit 55 gegen 39 Stimmen. Für ein Ausländerstimmrecht votierten SP und Grüne. Die SVP lehnte das Begehren ab. Bei den Mitteparteien um die CVP waren die Meinungen geteilt. Die 26-köpfige FDP-Fraktion sprach sich mit drei Ausnahmen klar für die Ablehnung aus. Der Regierungsrat und die vorberatende Justizkommission hatten das Begehren noch unterstützt. Verlangt worden war die politische Mitsprache in einem Volksauftrag. Gemeinden sollten demnach ermächtigt werden, das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer mit Niederlassungsbewilligung einzuführen. Die Gegner erachteten die Einbürgerung jedoch als Voraussetzung für politische Mitbestimmung. Am heftigsten war der Widerstand gegen mehr Mitbestimmung für Ausländer erwartungsgemäss in der SVP. Die Partei hatte schon im Vorfeld angekündigt, man werde das Vorhaben mit allen Mitteln bekämpfen und wenn nötig später das Referendum ergreifen. CVP-Mann und Unternehmer Josef Maushart (Solothurn) verlieh der Debatte kurz vor Schluss nochmals eine grundsätzliche Dimension. „Wir stärken die Demokratie, wenn wir dem Ausländerwahlrecht zustimmen“, gab er sich überzeugt. Denn es sei nun einmal Fakt, dass immer mehr Menschen nicht mehr in ihrem Heimatland arbeiten und wohnen. Und diese Entwicklung, sagte Maushart, lasse sich nicht mehr aufhalten.

SVP-Volksaufträge zum kantonalen Justizsystem scheitern

Wer Volksaufträge einreicht, hat an sich keine Möglichkeit, diese vor dem Kantonsrat zu vertreten. Der Zufall wollte es aber, dass gleich zwei Volksaufträge von Rémy Wyssmann auf der Traktandenliste standen. Der Kriegstetter SVP-Mann und Rechtsanwalt war soeben in den Kantonsrat nachgerückt. So konnte er seine Aufträge doch vor dem Parlament vertreten – beide wurden jedoch klar abgelehnt.

Beim einen ging es um die Verjährungsfristen an den Spitälern. Im Vordergrund standen Haftpflichtfälle im Spitalbereich. Wyssmann und seine Mitstreiter forderten, dass die Solothurner Spitäler AG gleich behandelt wird wie die privaten Spitäler. Während bei Letzteren eine Verjährungsfrist von zehn Jahren gilt, endet bei den Solothurner Spitälern ein Jahr nach Kenntnisnahme die Frist auf Schadenersatzansprüche. Die öffentlichen Spitäler seien dem Verantwortlichkeitsgesetz des Kantons unterstellt und handelten dabei „in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe“, erinnerte Nadine Vögeli (SP, Hägendorf) als Sprecherin der Justizkommission. Die geltende Regelung sei unlängst aus einem politischen Prozess hervorgegangen und habe sich bewährt. Mit Ausnahme der SVP und der Grünen betonten alle Fraktionen, dass die Regelung in der Praxis nie zu Problemen geführt habe. Und mit der Einreichung des Schadenersatzbegehrens könne die Verjährungsfrist ohnehin unterbrochen werden.

Im zweiten Volksauftrag ging es darum, dass in Gerichtsverfahren auf Antrag Partei- und Zeugenbefragungen durchgeführt werden müssen. Heute finden diese vor allem in Zivil- und Strafverfahren statt, nicht aber vor dem Versicherungsgericht. Dort gibt es meist reine Aktenprozesse. Vor allem aber verwiesen die Sprecher auf die richterliche Unabhängigkeit. Es liege letztlich am Richter, zu entscheiden, wann eine Befragung für die Beweiserhebung notwendig sei. Markus Spielmann (FDP, Starrkirch-Wil), seines Zeichens Präsident des Solothurner Anwaltsverbands, appellierte an seine Kollegen: „Finger weg von der Gewaltentrennung“.

Rote Null im Rechnungsabschluss 2016

Mit dem Rechnungsabschluss 2016 kann man seit langem wieder einmal zufrieden sein. Bei der Beurteilung der finanzpolitischen Perspektiven gingen die Meinungen im Kantonsrat allerdings auseinander.

Die Staatsrechnung 2016 schloss unter dem Strich zwar mit einem Defizit von 7 Millionen ab, diese „rote Null“ lag aber deutlich über den Erwartungen. Es war ein markant besserer Abschluss als im Vorjahr, das Ergebnis fiel auch um 58 Millionen besser aus als budgetiert, und seit Jahren wies das operative Ergebnis aus der Verwaltungstätigkeit erstmals wieder einen Ertragsüberschuss von knapp 31 Millionen aus. Von allen Seiten gab es (fast) nur lobende Worte. Aber auch kritische Geister wie FDP-Finanzpolitiker Beat Loosli (Starrkirch-Wil) sahen im Ergebnis zumindest einen „Schritt zu einem stabilen Finanzhaushalt“. Der Geschäftsbericht mit Jahresrechnung wurde vom Parlament denn auch einstimmig genehmigt.

Anpassungen bei der Gerichtsorganisation

Nur ein Rückzieher konnte den Regierungsrat vor einer Schlappe im Kantonsrat retten: Die Gebühren bei Zivilprozessen an den Solothurner Gerichten bleiben unverändert. Damit wird der Gang vor den Richter nicht teurer. Aber auch nicht billiger.

Die Bemessung der Gebühren war Teil der Anpassungen im Gesetz über die Gerichtsorganisation. Abgesehen davon ging es bei der Vorlage, die vom Parlament in der Schlussabstimmung einstimmig gutgeheissen wurde, lediglich um Anpassungen an das Bundesrecht. Die Regierung wollte ursprünglich den Gebührenrahmen bei Streitwerten bis 30‘000 Franken von 200 bis 4‘000 Franken auf 200 bis 5‘000 Franken anheben. Bei einem Streitwert bis 50‘000 Franken sollte ein Zivilprozess neu bis zu 6‘000 Franken kosten dürfen. Die Justizkommission des Kantonsrats unterstützte die Vorlage daraufhin mehrheitlich. Doch dann regte sich Widerstand. Rechtsanwälte warnten davor, dass „sich bald nur noch Arme und Reiche das Prozessieren leisten können“. Die einen profitieren von unentgeltlicher Rechtspflege, die anderen von ihrer Finanzkraft. Für den Mittelstand werde das Kostenrisiko eines Verfahrens jedoch immer grösser.

Die Finanzkommission sträubte sich aus „rechtsstaatlichen Gründen“ gegen eine Gebührenerhöhung. Daraufhin überdachte auch die Justizkommission nochmals ihre Haltung und der Regierungsrat verzichtete letztlich auf seine Pläne. Von einem „Hüftschuss“ dürfe man nicht sprechen, sagte Justizdirektor Roland Fürst (CVP) in der Ratsdebatte. „Eine Analyse der Gerichte ergab, dass die Gebühren teilweise nicht mehr zeitgemäss sind“. Anita Panzer (FDP, Feldbrunnen) erinnerte an die Kernaufgabe des Staates, „jedem den Zugang zur Justiz zu gewähren“. Rémy Wyssmann (SVP, Kriegstetten) beantragte, den Gebührenrahmen für die beiden untersten Streitwertgrenzen „moderat zu senken“, und zwar auf 200 bis 3‘500 Franken beziehungsweise 600 bis 5‘000 Franken. Ausserdem müssten die Gerichte ihren Arbeitsaufwand transparent machen, so ein zweiter Antrag. Die von der SVP vorgebrachten Anträge wurden in der Folge deutlich abgelehnt.

Verabschiedungen

Volkswirtschaftsdirektorin Esther Gassler (FDP) und Innendirektor Peter Gomm (SP) sassen zum letzten Mal auf der Regierungsbank im Kantonsratssaal. Gemeinsam traten sie ihr Amt an, gemeinsam verlassen sie es. Ende dieses Monats werden die Regierungsräte nach zwölfjähriger Amtszeit zurücktreten. Kantonsratspräsident Urs Huber (SP, Obergösgen) würdigte die abtretenden Regierungsräte mit launigen Worten, einem Blumenstrauss und einem Präsent.

Ferner traten Ratssekretär Fritz Brechbühl nach 26 Jahren und Standesweibel Ueli Lisser nach 23 Jahren in den Ruhestand. Rechtsanwalt Fritz Brechbühl wurde im Jahr 1991 zum ersten Ratssekretär Solothurns gewählt. In dieser Funktion leitete er die Parlamentsdienste, die er auch aufbaute. Mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war er auch für die Dokumentation und das Protokollwesen zuständig. Vor allem aber war er das „juristische Gewissen“ des Parlaments.

Ueli Lisser hat als Standesweibel ebenfalls vieles miterlebt. Er legte bei unzähligen Traktanden von Parlament und Regierung die Geschäfte auf und repräsentierte den Kanton bei offiziellen Anlässen im rot-weissen Ornat mit Zweispitz.

Schliesslich wurde der Gesamtregierungsrat mit den neuen Regierungsmitgliedern Susanne Schaffner (SP) und Brigit Wyss (Grüne) vereidigt.

Neue FDP-Vorstösse

Auftrag Christian Scheuermeyer (Deitingen): Abschaffung stille Wahlen bei Gemeindepräsidienwahlen

Der Regierungsrat wird beauftragt, das Gesetz über die politischen Rechte so anzupassen, dass bei Gemeindepräsidienwahlen (Präsident und Vizepräsident) im ersten und wenn nötig zweiten Wahlgang keine stille Wahlen mehr möglich sind. Ebenso muss bei einem allfälligen zweiten Wahlgang die Anmeldung von neuen Kandidaten ermöglicht werden. Diese Neumeldungen sollen eine angemessene Vorgabe (z.B. Unterschriften von 2% der Stimmberechtigten, mindestens 20, max. 50) erfüllen, damit sogenannte „Jux“-Kandidaturen bestmöglich vermieden werden können.

Auftrag überparteilich: Erstunterzeichner Mark Winkler (Witterswil): Standortförderung Kanton Solothurn

Der Regierungsrat wird beauftragt, den gesetzlichen Auftrag der Wirtschaftsförderung auf Basis der veränderten nationalen und internationalen Entwicklungen bei der Standortförderung (Arbeiten, Wohnen, Freizeit) zu überprüfen und gegebenenfalls Ziele, Aufgaben, Organisation und Prozesse anzupassen.